Buch: Ein französischer Roman - angstundbange - 31.03.2014
Hallo,
"Ein französischer Roman" (Orig.: "Un Roman francais" <-- Wie kann ich denn hier Eine Cédille einsetzen???) ist ein autobiographisches Buch des Autors Frédéric Beigbeder.
Ich möchte es hier empfehlen, da es für mich in seiner Gesamtanlage den Prozess und die langsame Aufdeckung einer Traumatisierung sehr gut nachbildet. Man kann also anhand des Textes nachfühlen und quasi mit- oder wiedererleiden, wie es dem (inneren) Kind es Autors in seiner doch recht turbulenten Lebenssituation ergeht.
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Rahmenhandlung ist die Untersuchungshaft, in der sich der Erzähler infolge eines kleinen Drogendelikts befindet. Dort leider er unter klaustrophobischen Zuständen (er erhält dagegen Psychopharmaka und Betablocker) und beginnt, Rückblende für Rückblende seine Kindheit und Jugend zu rekonstruieren. Es stellt sich heraus, dass er nicht nur Scheidungskind war, sondern auch Teil einer Familie mit einem nicht ganz aufrichtigen Verhältnis zur Nazi-/Vichy-Vergangenheit. Verdeckte und vererbte Traumata sind ja hier auch immer mal wieder ein Thema. Die Erzählung springt also hin und her zwischen den Ebenen der Gegenwart (in der Untersuchungshaft), der Kindheit Beigbéders in den 1970er-Jahren und der noch älteren Vergangenheit seiner Familie. Der Erzähler muss sich sehr mühen, um schließlich herauszubringen, dass sein Scheidungskind-Dasein geprägt war von extremen Wechseln: unterschiedliche Partner der Mutter und Partnerinnen des Vaters, unterschiedliche Wohnort, verschiedene Milieus unter der Woche und am Wochenende beim Vater. Er schildert auch, wie die Eltern immer versuchten, ihre Trennung seelisch möglichst sanft zu verpacken - und gerade dadurch Schuldgefühle in Frédéric und seinem älteren Bruder auslösten. Besonders ergriffen war ich von der Schilderung, wie der Erzähler meinte, seiner Mutter (endgültig) das Herz gebrochen zu haben. Die Erzählung gipfelt in einer himmelschreienden Anklage des französischen Staates wegen Freiheitsberaubung - vor der Kulisse der hohen Kultur und des Pomps von Paris. All dies ergibt einen "Giftcocktail", gespickt mit Triggern, die erst durch den Gesamteindruck so richtig die Wirbelsäule hoch und unter die Haut kriechen.
Ein Buch, das sich als Gesellschaftsstudie Frankreichs nach den "30 glorieuses" sehr anregend liest. Aber eben auch geeignet ist, eigene, tief sitzende Gefühle herauf zu beschwören. Insofern: Empfehlung und Warnung zugleich!
Gruß
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