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Meine Antwort auf #Metoo - Druckversion

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Meine Antwort auf #Metoo - Anonyma - 02.01.2018

Hallo zusammen,

ich weiß nicht, ob mein Beitrag in diesem Forum richtig ist, aber für die kreative Ecke fand ich es auch unpassend, daher poste ich nun hier mit der Bitte, es im Zweifelsfall zu verschieben.

Ich weiß nicht, wie es euch so geht, aber bei der ganze Debatte um #Metoo (so wichtig sie auch ist!!!) zwickt es mich jedesmal, wenn ich etwas darüber lese und ich frage mich, wann endlich jemand seinen Mund aufmacht für Kinder, die Gewalt erleben müssen und sich nicht selbst wehren können.
Darum habe ich eine Antwort darauf geschrieben, die die Folgen von Kindheitstraumatisierungen thematisiert. Ich habe leider keinen prominenten Namen, mit dem ich mir Gehör schaffen kann, aber für alle Interessierten hänge ich die Datei diesem Beitrag an.

Beste Grüße und
ein frohes neues Jahr an alle!

Anonyma


RE: Meine Antwort auf #Metoo - Nachtnebel - 02.01.2018

Liebe Anonyma!

Vielen Dank für deinen Text. Ich finde ihn wirklich sehr gut! Bin absolut deiner Meinung, auch wenn ich finde , dass die gegenwärtige #metoo -Debatte schon ihre Berechtigung hat.
Leider werden Kindesmisshandlungen und ihre Folgen nur sehr selten in den Medien thematisiert. V.a. die Folgen sind für viele unverständlich. Ich denke, da müsste noch viel mehr aufgeklärt werden. Und diese Sprüche von wegen, du musst halt die Vergangenheit abhaken und denke doch einfach anders. Das kenne ich leider nur zu gut.

Also nochmals Danke für deinen wichtigen Text, alles Liebe
Nachtnebel


RE: Meine Antwort auf #Metoo - barbara103 - 02.01.2018

Hallo Anonyma,

ich finde Deinen Text sehr gut.
Du hast gekonnt in Worte gefasst, was ich auch denke.

Möchtest Du den Text veröffentlichen?

VG
Barbara


RE: Meine Antwort auf #Metoo - Celestine - 03.01.2018

Liebe Anonyma,

auch ich stimme dir voll und ganz zu.

Ich habe die #metoo Debatte verfolgt und es haben viele Frauen von sexuellen Übergriffen in ihrer Kindheit berichtet. Insofern hat das Ganze doch den Effekt, dass der Fokus nicht nur auf den Hollywoodstars geblieben ist. Wir haben darüber in unserem Freundeskreis diskutiert und eine Frau hat erzählt, wie es damals bei ihr war. Da war sie sechs und begriff gar nicht, was da während eines Familientreffens abging (Übergriffiges Verhalten eines Onkels). Erst viel später hat sie es verstanden.

Die anwesenden Männer, mein eigener inklusive, sagten, dass sie vor #metoo keine Ahnung hatten, welches Ausmaß das hat. Genau das ist meiner Meinung nach der Punkt: Man(n) hat die ganze Zeit Vogel Strauss gespielt, obwohl gerade in letzter Zeit in den Nachrichten über die Arbeit der staatlichen Aufarbeitungskommission sex. MB berichtet wurde, wo Betroffene angehört werden. Hier geht es gezielt um das, was du in deinem Text geschrieben hast. Ich nehme an, da war es für die TV Zuschauer Zeit, sich etwas zu trinken zu holen oder warum sind jetzt viele Menschen so überrascht? Bloß immer schön in der Komfortzone bleiben.

Dafür war #metoo auf jeden Fall gut. Die Leute, die in sozialen Netzwerken unterwegs sind, haben es jetzt endlich zur Kenntnis nehmen müssen und bedingt durch die große Zahl wurde es auch in den anderen Medien behandelt und zwar nicht nur bezogen auf Schauspieler etc., sondern auch auf Kinder.

Ich finde es super, dass du dich engagierst. Was wirst du mit dem Text machen?

LG Celestine


RE: Meine Antwort auf #Metoo - Anonyma - 03.01.2018

Vielen Dank für eure Rückmeldungen! Ich bin sehr froh zu hören, dass sich andere Betroffene dem anschließen können.
Celestine, ich habe die Debatte nicht sehr intensiv verfolgt, mir sind nur die vielen Schlagzeilen aufgefallen, die sich explizit auf Aktionen Prominenter bezogen und das hat mich wütend gemacht. Ich finde es so erschreckend, dass das, was so vielen Kindern in Familien passiert, nach wie vor so wenig präsent und oft ein tabu ist.

Ich würde den Text gerne verbreiten, wenn er es wert sein sollte. Mir ist völlig klar, dass darin die Dinge nur minimal angerissen worden sind. Aber wenn ich damit irgendjemandem einen Gedankenanstoß geben könnte, wäre das schon mehr, als ich zu hoffen wage. Leider bin ich bei sowas ziemlich weltfremd und somit war das Forum mein erster Schritt. Auch, um die Meinungen anderer Betroffener dazu zu hören.
Daher nochmals herzlichen Dank!

Beste Grüße,
Anonyma


RE: Meine Antwort auf #Metoo - baer - 03.01.2018

ich finde es auch toll, daß Du da was machen willst und ich habe oft bei den Fernsehdebatten gesessen und das gleiche gedacht "und was ist mit den Kindern in meiner Umgebung" - ich bin immer wieder sehr erstaunt, daß es bis 2018 noch nicht geschafft wurde das in die Köpfe der menschen zu bewegen und wohl auch nicht wirklich klar ist, was das für Folgen für das ganze leben hat

LG von baer


RE: Meine Antwort auf #Metoo - Anonyma - 03.01.2018

An diesen Skandal kann ich mich auch noch erinnern. Genauso wie mit den katholischen Choknaben. Oder Skandalen in Schulen (Internaten).
Mit der Quote ist es allerdings bei allem: Ein Zugunglück, zack, auf einmal finden ständig welche statt. Und so weiter. Selektive Auswahl halt.
Aber ich habe noch nie erlebt, dass genau DIESES Thema wirklich zentral im Fokus war. Es würde mal dringend Zeit.


RE: Meine Antwort auf #Metoo - Celestine - 03.01.2018

Vielleicht tut sich etwas, wenn die Aufarbeitungskommission ihre abschließenden Ergebnisse vorstellt.

Um das Thema unüberseh- und -hörbar in den Fokus der Öffentlichkeit zu bringen, müssten einige Tabus gebrochen werden. Ich glaube, das ist vielleicht das größte Problem. Wer soll das denn anstoßen? Die Betroffenen können es nicht, weil das Schweigegebot, das ihnen von den Tätern auferlegt wurde, bis zum heutigen Tag als Introjekt wirkt. Oder ist irgendwer auch nur in die Therapie gegangen und hat in diesem vertraulichen Setting locker-flockig von dem Erlebten berichten können? Nein, in diesem Forum ist die Schwierigkeit, in der Therapie über traumatische Erfahrungen zu berichten, ein sehr großes Thema. Und dann vor laufenden Kameras? Da ist auch noch die Angst, dass einem nicht geglaubt wird - und so ist es nicht wenigen Kindern ergangen, die sich in ihrer Not jemandem anvertraut haben. #metoo war in diesem Ausmaß aufgrund der Anonymität möglich, wovon auch dieses Forum lebt.

Es ist intim und schambesetzt, die Täterintrojekte bewirken, dass die Opfer schweigen und sich häufig mitschuldig fühlen. Die Ungeheuerlichkeit dieses Verbrechens wird einem häufig erst in der Therapie bewusst gemacht, falls man das nicht abwehrt, weil man die damit verbundenen Gedanken und Gefühle des hilflosen Ausgeliefertseins und der Ohnmacht nicht aushält. Man fühlt sich unbewusst lieber mitschuldig, also kann man sich damit nicht zeigen.
Man fürchtet sich außerdem mit Recht vor einer Retraumatisierung, wenn man davon erzählt. Das wird ja auch an der Arbeit der Aufarbeitungskommission und am derzeit gültigen Verfahren im Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes kritisiert.

Warum verklagt man die Täter nicht 'einfach'? Wenn alle das täten, käme es recht schnell an die Öffentlichkeit, so wie es im Zusammenhang mit der katholischen Kirche gewesen ist. Da haben sich nach Jahrzehnten des Schweigens erst wenige getraut und dann wurden es immer mehr. Da waren es aber kollektive, institutionalisierte Täter und nicht Papa, Mama, Opa oder ...

Es gibt wenige seriöse Journalisten, die sich des Themas annehmen. Es sind nicht genug und auch sie benötigen Betroffene, die bereit sind, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Ich möchte nicht im Supermarkt einkaufen und alle, die das im TV gesehen haben, drehen sich gefühlt nach mir um und tuscheln: "Oh, da ist die, die gestern abend im TV erzählt hat, dass...und ihr Täter, den kennt man auch. Er/Sie sitzt im Stadtrat, ist der Vorsitzende des lokalen Fußballvereins oder...'

Wer soll es sonst erzählen? Wollen wir unsere Therapeuten von der Schweigepflicht entbinden, damit sie an unserer Stelle davon berichten, falls sie dazu bereit wären?

Dass das Problem nicht gesehen wird, liegt zum größten Teil in den Begleitumständen und der Perfidität der Tat begründet. Du darfst auf keinen Fall mit irgendwem darüber sprechen. Du musst deiner Familie gegenüber loyal sein. Du musst dich deswegen schämen, bist schuldig und schmutzig. Das hat sich damals eingebrannt und gilt für die meisten Betroffenen bis heute.

LG #metoo


RE: Meine Antwort auf #Metoo - Anonyma - 03.01.2018

Damit hast Du auf jeden Fall recht. Ein solch "großes Aufstehen" wird es niemals geben. Und letztlich ist ein prominenter Name ja auch eine Art von "Schutz", den Normalsterbliche nicht haben.
Aber es wäre schonmal hilfreich, wenn immer mal wieder ein Artikel eingestreut wird, der die Zahlen für sich sprechen lässt (auch wen die Dunkelziffer da sicher nochmal eine andere Sprache spricht). Es gibt mittlerweile Studien darüber, wie weit innerfamiliäre Gewalt verbreitet ist.
Die meisten halten es doch sich für absolute Einzelfälle. Diese Sicht gilt es zu korrigieren. Und über die Folgen, die es nach sich ziehen kann, könnten auch Fachleute berichten - denen würde vermutlich sowieso eher geglaubt als den "armen, in Selbstmitleid versinkenden Opfern".

Es ist kein Thema für einen Riesen-Medien-Hype, aber es ist definitiv auch keins, das unter den Tisch fallen sollte. Und auch wenn es nicht die Mehrheit sein wird, gibt es doch vielleicht Menschen, die bereit sind darüber zu sprechen. Es geht ja nicht um Anklagen oder Detailberichten, aber darstellen, was das aus meinem Leben gemacht hat, kann ich wohl. Mittlerweile habe ich auch nichts mehr zu verlieren.

Ich denke, ein Ganz-oder-gar-nicht-Denken ist an der Stelle unangebracht, aber wenn man zumindest einzelne Leute erreichen könnte, sie zum nachdenken bringen und damit aufmerksamer und verständnisvoller machen könnte, wäre schon viel erreicht, finde ich.
LG


RE: Meine Antwort auf #Metoo - Celestine - 03.01.2018

Es gibt hin und wieder Artikel. Die geschätzte Dunkelziffer ist bekannt. Man schaut aber weiterhin weg. Die Psychodynamik des Verbrechens wirkt in die Gesellschaft. Das kennen wir doch hinlänglich von den NS-Verbrechen.

Warum geht es denn nicht auch um Anklagen und Entschädigung? Man zögert nicht, einen Betrüger oder Einbrecher zu verklagen. Ein Opfer eines Überfalls oder ncht selbst verschuldeten Unfalls bekommt Schmerzensgeld.

Die Folgen dieser Taten sind außer in Fachkreisen tatsächlich weniger bekannt. Da hast du Recht und daher finde ich deine Initiative so gut. Damit beschäftigt sich die Aufarbeitungskommission der Bundesregierung. Vielleicht wäre das eine Möglichkeit für dich, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Das ist immer wieder in den Medien. Mit wieviel Erfolg, das bleibt abzuwarten.

Details sind bis zu einem gewissen Grad nötig, damit nicht so einfach weggesehen werden kann. Man kann es ernsthaft beklagen, aber wir sind nunmal Teil einer gaffenden Gesellschaft. Ohne Sensation keine Aufmerksamkeit.


RE: Meine Antwort auf #Metoo - Sick_Jo - 03.01.2018

Hallo!

Ich will auch mal was dazu schreiben und möchte als erstes sagen, dass ich den Artikel auch sehr gut finde und sich darin sicher sehr viele Betroffene wieder spiegeln können.
Ich persönlich habe diese Metoo-Sache verfolgt, war teilweise hin und her gerissen und kann selbst nicht extrem viel damit anfangen. Wenn es manche Menschen zum Nachdenken bringt, hat sie aber immerhin schon etwas erreicht.

Ansonsten gebe ich allerdings ssri Recht. Für die Presse gibt es im Normalfall kein Interesse zu irgendwelchen Themen. Es geht nur um den Moment, um die Quote, aber kaum um wirklich Nachhaltiges. Da wird für den Moment etwas hervor gekramt, nach oben gestellt...alle tun betroffen und nach Tagen kommt was Neues, Promi A ist schwanger, Promi B wurde beim Fremdgehen erwischt...und schon ist es vorbei.
Gerade der Skandal in der Odenwaldschule ist ja auch einer der Presse, denn die Frankfurter Rundschau hat bereits 1999 (!!!) darüber berichtet. Da damals die anderen Medien und Zeitungen nicht darauf angesprungen sind, versickerte das Ganze, der damals noch gesund lebende Schulleiter wurde nicht belangt und konnte sich noch viele Jahre als genialer Pädagoge auch und besonders von der Politik feiern lassen, bis dann viele Jahre später das Ganze doch nicht mehr zu vertuschen war. Für die Journalisten ein kleiner Fehler, für Betroffene einfach nur furchtbar.
Oder man nehme letztes Jahr die Meldung, in Berlin müssten sich jugendliche Flüchtlinge prostituieren. Keine Ahnung, ob das stimmt. Sicher weiß ich allerdings, dass einheimische Jugendliche das schon viele Jahre machen und das seltsamerweise die Presse nie interessiert. Hier mal ein bisschen Christiane F. , dort mal Jahre später ein kleiner Beitrag zum Bahnhof Zoo...aber huch, ansonsten kein Thema, mit dem man die Leute behelligen will.
Ich denke, es gibt da einfach so Themen, die in den Redaktionen nicht wirklich beliebt sind, weil der Normalbürger wenig damit anfangen kann. Und dazu gehört leider auch der sexuelle Missbrauch gerade in Familien, weil das etwas ist, über das viele nicht Betroffene einfach nicht gerne nachdenken.

Okay, ich habe das jetzt etwas heftig ausgedrückt, aber ich will es doch so stehen lassen, weil ich kaum einen Beruf als negativer empfinde als der eines Journalisten.


RE: Meine Antwort auf #Metoo - Anonyma - 04.01.2018

Dass die Presse ein mehr kommerzielles als informierendes Ziel verfolgt, ist ja nichts neues. Wenn auch schlimme genug für alle, die dadurch Nachteile haben, in welcher Form auch immer.

Natürlich haben auch Anklagen und Entschädigung ihre Berechtigung, mehr als das. Es ist nur lediglich nicht das, was mir mit meinem Text im Vordergrund stand. Meine Absicht beim Schreiben war ein offenerer und verständnisvollerer Blick auf Betroffene und im Idealfall offene Augen und damit mehr Schutz für Gefährdete. Und auch das ist ja letztlich nur "Wunschdenken".