12.11.2010, 11:03
Kerzenlicht schrieb:Damit kommst Du doch heute nicht mehr weit, Uni. Es geht nur noch um Zeit. Die Arbeit wird oft quasi im Akkord erledigt. Pro Person ist ein bestimmte Zeit für jede Tätigkeit vorgeschrieben.Meine Tochter hat ein Praktikum in einem Pflegeheim gemacht. In der Beurteilung ist ihr Umgang mit den Patienen gelobt worden, aber weil sie dadurch dei zeitlichen Vorgaben nicht erfüllt hat, hat sie eine 4 bekommen.
GLG
Carmen
Ich antworte da mal kurz drauf, obwohl es OT ist, von mir aus kann das Thema auch gerne irgendwohin verschoben werden.
Ehrlich gesagt sehe ich es nicht so, dass es nur um Zeit geht. Ich hab inzwischen viel Erfahrung mit Pflege in verschiedenen Einrichtungen und meiner Meinung nach ist es so, dass grade die Pfleger im Alten- und Pflegeheim immer gerne so tun, als hätten sie wenig Zeit. Was sie allerdings nicht daran hindert alle halbe Stunde einen Kaffee zu trinken und ne Zigarette zu rauchen.
Es ist normal, dass deine Tochter die Zeitanforderungen nicht erfüllen kann, sie hat eben nur ei n Praktikum gemacht und so wie ich das Personal dort einschätze hat ihr niemand erklärt, was sie genau machen muss, wo sie ihre Arbeitsmaterialien findet uns so weiter.
Ich merke aus eigener Erfahrung, dass man von Woche zu Woche schneller wird und sobald man die Patienten kennt auch weiss, was die selbst können und wo man vielleicht nicht dabei sein muss und lieber 2 andere fertig macht.
Klar hat man ein Zeitproblem, aber meiner Meinung nach ist das halb so schlimm, wie alle tun. Ich habe eine zeitlang in einem Pflegeheim gearbeitet, da mussten die Mitarbeiter im Frühdienst jeweils jeder 10 Leute vor 7 Uhr waschen und anziehen. Und dann hab ich Pflegeheime erlebt, da konnten sich die Bewohner aussuchen, wann sie frühstücken und ob und so weiter. Ich habe festgestellt, dass sobald alle Leute gwaschen und angezogen sind (was bei 10 Leuten 2-3 Stunden dauert), sowieso tote Hose auf der Station ist und bis zum Mittagessen garnichts passiert. Vorgeschriebene Zeiten, kenne ich nur vom ambulanten Pflegedienst, dort hat man zum Beispiel 35 Minuten Zeit, für die "große Morgentoilette" (d.h. ins Bad bringen, Ganzkörperwäsche bzw duschen, Haare waschen, kämmen, Mundpflege, Zahnreinigung, anziehen usw). Da kann man schonmal in einen großen Zeitdruck kommen, vorallem wenn die Omi 5 Minuten braucht, um aus ihrem Bett auszustehen
Es gibt immer zwei Seiten bei der Sache
Die Pflege macht sich selbst viel Stress und wenn sich ein Mitarbeiter eine halbe Stunde Zeit nehmen würde, um einen Praktikanten anzuleiten, dann wären auch diese viel effektiver, stattdessen hab ich es erlebt, dass Praktikanten entweder ignoriert und beleidigt werden (ich musste mir als Studentin sehr oft anhören, dass ich nur da bin, um das Heim auszuspionieren, und dann später komme und denen die Jobs wegnehme), oder das denen die Arsch-Arbeit aufgebrummt wird, die ein Praktikant alleine garnicht bewältigen kann.
Auch wenn ich mein Studium im Moment abgrundtief verabscheue und keinen wirklichen Sinn darin sehe, ist kritisches Denken eines der Sachen, die wir eingetrichert bekommen´und die ich wirklich gut finde. Ich denke schon, dass ich damit weiter komme, weil immerhin ist es meine Sache, ob ich um 10 Uhr im Frühdienst ne Kaffeepause mache, oder erst um 11. Und ich mach das dann auch so. Ich hab auch schon schlechte Bewertungen bekommen, aber mir ist das echt wurschd. Solange es immernoch alte Menschen gibt, die im Altersheim ertrinken, weil jemand ihnen zu viel Wasser in zu kurzer Zeit einflößt, oder Dementierende, die den ganzen Tag eingesperrt werden, arbeite ich wie ich will. Wie manche Pflegepersonen mit den Omis umgehen ist wirklich unter aller Sau, und falls ich mal irgendwo in die Leitungsebene kommen sollte, dann werde ich eher drauf Wert legen, dass niemand zu Schaden kommt, als das alle in Reih und Glied am Frühstückstisch sitzen...
Ich finde es deppert eine Praktikantin schlecht zu bewerten, weil sie langsam war. Das ist nicht der Sinn der Sache und auch einer der Gründe, wieso Deutschland einen Pflegenotstand hat.
Jedenfalls ist es besser ein eckiges Etwas zu sein, als ein rundes Nichts. (Friedrich Hebbel)