Susan Forward: Vergiftete Kindheit
#12
Brief an den stummen Partner

Nach dem Brief an den Aggressor schreiben sie an den anderen Elternteil. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Ihre Mutter. Wenn sie meinen, Ihre Mutter wusste über den Inzest nicht Bescheid, kann dieser Brief die erste Gelegenheit bieten, diese Erfahrungen für sie in Worte zu fassen.

Wenn Sie meinen, Ihre Mutter habe von dem Inzest gewusst, oder wenn Sie es ihr schon mitgeteilt haben, als es passierte, empfinden Sie vermutlich starke Empörung, die Sie ihr gegenüber ausdrücken müssen, Empörung über den fehlenden Schutz, dass Ihnen nicht geglaubt wurde oder man Ihnen die Schuld gab, dass Sie als Opferlamm für die Aufrechterhaltung dieser destruktiven Ehe benutzt wurden, und dass Sie für Ihre Mutter weniger wichtig waren, als deren Bedürfnis nach finanzieller Sicherheit und der Beibehaltung des Status quo.

Connies Brief an ihre Mutter ist ein typisches Beispiel für die ungeheure Ambivalenz von Inzestopfern gegenüber der Mutter. Der Brief begann mit einer Aufzählung der sexuellen Misshandlungen durch ihren Vater. Sie fuhr fort, indem sie aus ihrer Sicht die Rolle der Mutter in der Familie schilderte.

…ich fühle mich auch von dir verraten, Mutter. Mütter sollten ihre Kinder beschützen, aber das hast Du nicht getan. Du hast dich nicht um mich gekümmert, und daher konnte er mir so weh tun.
Wolltest Du das alles nicht sehen? Oder war es dir egal? Ich bin so wütend auf dich wegen all der einsamen, ängstlichen Jahre, die ich erlebt habe. Du hast mich verlassen. Der Friede mit ihm war dir so verdammt wichtig, dass Du mich geopfert hast. Es hat sehr weh getan, zu erkennen, dass ich dir nicht wichtig genug war, beschützt zu werden. Es hat so weh getan, dass ich meine Schmerzen verdrängen musste. Ich kann nicht mehr wie ein normaler Mensch fühlen. Meine Eltern haben mir nicht nur meine Kindheit geraubt, sondern auch meine Emotionen. Ich hasse dich und liebe dich gleichzeitig so sehr, dass ich völlig verwirrt bin. Warum hast Du dich nicht um mich gekümmert, Mami? Warum hast Du mich nicht einfach geliebt? Werde ich darauf jemals eine Antwort bekommen?

Connies eindringliche Schilderung ihrer Verwirrung spiegelt die Gefühle aller Inzestopfer wider, wenn die Mütter sie nicht beschützen. Connie drückte es so aus: “Tiere beschützen ihre Jungen…”
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