Hilfe gegen böse Erinnerungen
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Taten zählen mehr als Gedanken: Gegen traumatische Erlebnisse hilft eine Aktion besser als der Versuch, negative Gefühle rein geistig zu besiegen, erklären Forscher.

Angst und Trauer sind harte Gegner. Forscher sagen: Negative Gefühle kann man „wegpacken“.
Sprichwörter und Metaphern deuten an, dass konkrete Handlungen helfen, negative Gefühle zu überwinden. Wer eine unglückliche Beziehung beendet, der soll „sich den Kummer von der Seele schreiben“. Wer einen Verlust erleidet, soll „seine Sorgen begraben“. Kann tatsächlich funktionieren, was Sprachbilder andeuten? Forscher an der Universität von Toronto kamen zu dem Schluss: Böse Erinnerungen belasten weniger, wenn man sie „wegpackt“.

Sie luden Studentinnen und Studenten zu verschiedenen Experimenten ein. 80 von ihnen sollten sich an eine Entscheidung erinnern, die sie nachträglich bitter bereuten. Anschließend mussten sie das Erlebnis niederschreiben. Während eine Hälfte den Bogen mit der Geschichte in ein Briefkuvert stecken durfte, musste die andere Hälfte den ausgefüllten Bericht unverpackt abgeben. Hinterher befragten die Forscher die Teilnehmer, welche Gefühle das notierte Erlebnis in ihnen wachrief. Die Studenten sollten zu verschiedenen Adjektiven wie „traurig“, „schuldig“ oder „besorgt“ auf einer Skala von eins bis fünf die Stärke ihres korrespondierenden Gefühls notieren. Eins stand für „trifft überhaupt nicht zu“ und fünf für „trifft extrem stark zu“. Sämtliche Adjektive standen für negative Gefühle.

Wegpacken klappt besser als geistiges Kontrollieren

Wie sich herausstellte, war der Leidensdruck der Probanden insgesamt geringer, die ihr Blatt mit dem Erlebnisbericht in das Kuvert stecken durften. Die Forscher konnten den Zusammenhang zwischen nur schwach negativen Gefühlen und dem Papier in einem verschlossenen Kuvert mit einem weiteren Experiment bestätigen. Darin erinnerten die Studenten keine bereute Entscheidung, sondern einen Wunsch, der ihnen versagt geblieben ist.

„Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass physische Erfahrungen und geistige Prozesse stark überlappen“, schreiben die Autoren um Dilip Soman von der Rotman School an der Universität Toronto. Soman glaubt, dass die Methode des Wegpackens gerade deshalb funktioniert, weil die Betroffenen dabei nicht versuchen, ihre Gefühle bewusst zu kontrollieren. Bezüge zu modernen Medien stellt der Marketing-Professor nicht her: Sollten manche Blogger besser Briefe schreiben, anstatt ihre negativen Erfahrungen im Internet zu publizieren?

Tetris spielen gegen Flashbacks


In einer im Januar 2009 in der Fachzeitschrift „PLoS One“ publizierten Studie stellten Wissenschaftler einen anderen Trick vor, um traumatische Erlebnisse zu kontrollieren. Die Forscher der Universität von Oxford stützten sich nicht auf die Erinnerungen von Studenten, sondern führten ihren Probanden stark belastende Szenen und Bilder vor, beispielsweise solche, in denen schlimme Unfälle vorkamen. 30 Minuten nach der Vorführung durfte eine Hälfte zur Ablenkung zehn Minuten lang das Computerspiel „Tetris“ spielen, die andere Hälfte blieb so lange mit sich und der Situation allein.

Die Gruppe der Spieler hatte in der darauffolgenden Woche weniger mit „Flashbacks“ – plötzlich vor dem geistigen Auge erscheinende negative Erinnerungen – zu kämpfen als die der Nichtspieler. Es gibt ein Zeitfenster von sechs Stunden, um Erinnerungen zu modifizieren, die sich neu bilden, erklärten die Wissenschaftler. Die „Tetris“-Spieler hätten trotz der Ablenkung nicht die Fähigkeit verloren, die zuvor erlebten Szenen für sich einzuordnen.

Quelle: Focus.de
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