Emotionale Misshandlung
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Zitat:Bis auf immer wieder kehrende spektakuläre Einzelfälle qualvoll verhungerter und vernachlässigter
Kinder ist Vernachlässigung von Kindern in der Regel als Thema wenig spektakulär. Sie erhält
daher sowohl in den Medien, der öffentlichen, leider aber auch in der professionellen Wahrnehmung
eine deutlich geringere Aufmerksamkeit und Stellenwert als körperliche Misshandlung
und sexueller Missbrauch. Die vorliegenden Studien und Daten deuten jedoch auf eine erheblich
größere quantitative und vermutlich auch qualitative Bedeutung als die „klassischen“,
aktiven Gewaltformen. Die vielfach sehr ausgeprägten Folgen werden auch von Fachleuten häufig
noch unterschätzt, so dass der Begriff der „Vernachlässigung der Vernachlässigung“ geprägt
wurde.

Autor: Bernd Herrmann

Bei emotionalen Misshandlungen werden dem Kind keine körperlichen Schmerzen zugefügt. Vielmehr handelt es sich um Worte, Gesten und Unterlassungen, die dazu gedacht sind, das Kind seelisch zu quälen, erniedrigen und absolut wertlos darzustellen, es zu verhöhnen und zu demütigen. Das Kind fühlt sich wertlos und gehasst und ist vollkommen ohnmächtig gegen diese Art von Misshandlung, weil sie kaum Aufmerksamkeit erfährt und oft nicht mal als solche wahrgenommen oder akzeptiert wird.
Viele Menschen sind der Meinung, dass hier ja keine Gewalt angewendet würde. Darum werden seelische Grausamkeiten nicht geahndet und schon gar nicht verhindert.

Die Formen emotionaler Misshandlung sind vielfältig.

Das Herabsetzen:

- Kinder werden durch übelste Ausdrücke oder entsprechende Gesten förmlich niedergemacht.
- Kinder erfahren Ablehnung und Verachtung durch die Familienmitglieder oder Bezugspersonen.
- Kinder werden teilweise in Gegenwart anderer lächerlich gemacht und gedemütigt.
- Kinder werden ständig kritisiert, können nichts recht machen
- Es werden ihnen mannigfaltige Pflichten auferlegt, evtl. mehr als den Geschwistern und sie erhalten
weniger Belohnung und werden häufiger bestraft.

Das Ausnutzen:

- Kinder werden zu Prostitution, Diebstahl, Gewalt, Drogenmissbrauch usw. angehalten und damit zu
selbstzerstörerischem und kriminellem Verhalten.
- Den Kindern wird die Elternrolle aufgezwungen. Häufig müssen Scheidungskinder die Rolle eines Partners übernehmen, um Trost zu spenden oder sie dürfen
ihren anderen Elternteil nicht mehr lieben.
- Eltern mischen sich in unerträglicher Weise in das Leben des Kindes ein, sind extrem zudringlich, dominant oder reglementieren das Leben des Kindes aufs Äußerste. Das Kind kann keine eigenen Gefühle zeigen oder Wünsche und Ansichten äußern und versucht gar nicht mehr, ein entsprechendes
Maß an Autonomie zu erwerben.

Das Terrorisieren:

- Kinder werden in unüberschaubare oder erkennbar gefährliche Situationen gebracht, z.B zum Fenster
hinausgehalten, um Todesangst zu erzeugen.
- Kindern werden unrealistische Forderungen gestellt und ihnen ein Verlust oder Schaden im Falle des
Versagens angedroht.
- Dem Kind oder Personen, die es liebt, ebenso wie Objekten, die ihm wichtig sind (Lieblingsspielzeug)
wird Gewalt angedroht oder vor dem Kind angewendet.

Das Ignorieren:

- Das Verhalten dem Kind gegenüber ist gleichgültig und unnahbar.
- Nur, wenn es unbedingt notwendig ist, wird sich dem Kind zugewandt, mit ihm gesprochen.
- Das Kinder erfährt keine Zuwendung oder Zärtlichkeit.

Das Isolieren:

- Das Kind an der Kommunikation mit anderen Menschen dauernd gehindert, z. B durch Einsperren.
- Die soziale Interaktion in größeren Gemeinschaften wird stark eingeschränkt.

Der Rechtsanwalt und Autor Andrew Vacchs hat auf seiner Website folgendes stehen:

"Emotionale Misshandlung ist die systematische Verkleinerung des anderen. Sie kann absichtlich oder unterbewusst (oder beides) sein, aber sie ist immer eine Verhaltensweise, nicht ein einzelner Vorfall. Sie ist darauf angelegt, das Selbstbild eines Kindes auf den Punkt zu reduzieren, wo das Opfer sich des natürlichen Geburtsrechts aller Kinder für unwert erachtet: Liebe und Schutz."

"Emotionale Misshandlung kann verbal oder im Verhalten, aktiv oder passiv, regelmäßig oder gelegentlich stattfinden. Ungeachtet dessen ist sie oft ebenso schmerzhaft wie ein körperlicher Angriff. Und, mit seltenen Ausnahmen, dauert der Schmerz viel länger an. Die Liebe eines Elternteils ist für ein Kind so wichtig, dass sie ihm vorzuenthalten einen Zustand des "Scheiterns in der Entwicklung" verursachen kann, ähnlich dem von Kindern, denen man eine angemessene Ernährung verweigert hat."


Folgen für Betroffene

Die Folgen für die Betroffenen sind individuell. Sie sind abhängig vom Alter, genetischer Disposition, Lebensumfeld usw. Es muss auch nicht zwangsläufig zu Beeinträchtigungen kommen.

Massive und dauerhafte emotionale Misshandlung in der Kindheit führt oft zu schweren psychischen Beeinträchtigungen wie Persönlichkeitsstörungen. Hierbei ist die Borderline Persönlichkeitsstörungndie häufigste. Aber auch andere Persönlichkeitsstörungen, Depressionen, Angst- und Panikstörungen sowie Esstörungen können entstehen.

Treten die Misshandlungen erst im Erwachsenenalter auf, ist die Entstehung einer Persönlichkeitsstörung nicht mehr möglich, jedoch kann es zu Depressionen, Angst- und Panikstörungen und zur posttraumatischen Belastungsstörung kommen.
Die PTBS kann zu einer dauerhaften Persönlichkeitsänderung führen (komplexe posttraumatische
Belastungsstörung).

Hilfe annehmen

Ob als Kind oder Erwachsener traumatisiert, wenn die Betroffenen Schäden erlitten haben und Hilfe brauchen, fällt es ihnen oft schwer diese zu suchen und anzunehmen. Sie vergleichen ihr Leid mit dem der Opfer von Gewalttaten und sind der Meinung es sei ja nichts passiert, ihnen stehe keine Hilfe zu. Sie haben Angst nicht ernst genommen und abgewiesen zu werden, oft auch mit entsprechenden Erfahrungen.
Oft sind sie sich garnicht bewusst, emotional misshandelt worden zu sein, weil diese Art von Misshandlung in der Öffentlichkeit vielfach akzeptiert wird. Sie kämpfen dann ihr Leben lang mit mangelndem Selbstwertgefühl und schweren Schuldgefühlen, was ihre Berufs- und Beziehungsfähigkeit stark einschränkt. Solche Menschen sieht man kaum auf einer Universität, egal, wie intelligent sie sind. Ihre möglichen Partner sind meist selbst mit Defiziten behaftet.

Emotionale Misshandlung bei Kindern erkennen

Emotionale Misshandlungen lassen sich nicht so leicht erkennen wie körperliche. Sie sind oft überhaupt nur dann zu erkennen, wenn man sich intensiver mit dem Kind auseinandersetzt.

Fast immer ist der Selbstwert der Betroffenen stark beeinflusst, kleine Kinder assoziieren sich mit negativen Figuren und Bösewichten.
Langes Einnässen (Enuresis), Einkoten (Enkopresis), Selbstabwertung und überdurchschnittliche Schüchternheit, verringerter Spieltrieb, nicht altersgemäße Sozialkompetenz und Apathie können Anzeichen von (jeglicher) Misshandlung sein.


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