01.06.2013, 21:49
aus: http://www.mpg.de/6642993/
Max-Planck-Gesellschaft / Forschung Aktuell
Kindliches Trauma hinterlässt bei manchen Opfern Spuren im Erbgut
Gen-Umwelt-Interaktion bewirkt lebenslange Fehlregulation der Stresshormone
2. Dezember 2012
Misshandelte Kinder sind erheblich gefährdet, angst- oder gemütskrank zu werden, weil der einwirkende hohe Stress die Regulation ihrer Gene dauerhaft verändern kann. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München dokumentieren nun erstmals, dass manche Varianten des FKBP5-Gens durch ein frühes Trauma epigenetisch verändert werden. Bei Menschen mit dieser genetischen Veranlagung verursacht das Trauma eine dauerhafte Fehlregulation des Stresshormonssystems. Die Folge ist eine lebenslange Behinderung im Umgang mit belastenden Situationen für den Betroffenen, welche häufig zu Depression oder Angsterkrankungen im Erwachsenenalter führt. Die Ärzte und Wissenschaftler erwarten sich von ihren aktuellen Erkenntnissen neue, auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Behandlungsmöglichkeiten, aber auch eine verstärkte gesellschaftliche Aufmerksamkeit, um Kinder vor einem Trauma und dessen Folgen zu schützen.
Misshandelte Kinder leiden oft ihr Leben lang unter ihrem Trauma. In Zeichnungen drücken Betroffene ihre Ängste aus.
Viele Erkrankungen des Menschen sind das Ergebnis vom Zusammenwirken seiner individuellen Gene und den ihn umgebenden Umwelteinflüssen. Traumatisierende Ereignisse vor allem in der Kindheit stellen dabei starke Risikofaktoren für das Auftreten von psychiatrischen Erkrankungen im späteren Leben dar. Ob der einwirkende frühe Stress aber tatsächlich das Opfer krank macht, hängt entscheidend von dessen genetischer Veranlagung ab.
Arbeitsgruppenleiterin Elisabeth Binder vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie untersuchte daher das Erbmaterial von fast 2000 Afro-Amerikanern, die als Erwachsene oder auch bereits als Kinder mehrfach schwer traumatisiert wurden. Ein Drittel der Traumaopfer war erkrankt und litt mittlerweile unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Die Wissenschaftler wollten durch den Vergleich der genetischen Sequenzen von erkrankten und nicht erkrankten Traumaopfern den Mechanismus dieser Gen-Umweltinteraktion aufklären. Ihre Untersuchung ergab, dass tatsächlich das Risiko an Posttraumatischer Belastungsstörung zu erkranken mit steigender Schwere der Misshandlung nur in den Trägern einer speziellen genetischen Variante im FKBP5-Gen zunahm. FKPB5 bestimmt, wie wirkungsvoll der Organismus auf Stresshormone reagieren kann, und reguliert so das gesamte Stresshormonsystems.
In Experimenten an Nervenzellen konnten die Max-Planck Forscher im Weiteren nachweisen, dass die von den Münchner Forschern entdeckte FKBP5-Variante für den betroffenen Menschen tatsächlich einen physiologischen Unterschied macht. Extremer Stress und somit hohe Konzentrationen an Stresshormon bewirken eine sogenannte epigenetische Veränderung: Von der DNA wird an dieser Stelle eine Methylgruppe abgespalten, was die Aktivität von FKBP5 deutlich erhöht. Diese dauerhafte Veränderung der DNA wird vor allem durch Traumata im Kindesalter erzeugt. So lässt sich bei Studienteilnehmern, die ausschließlich im Erwachsenenalter traumatisiert wurden, keine krankheitsassoziierte Demethylierung im FKBP5-Gen nachweisen.
Torsten Klengel, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie erklärt die Studienbefunde wie folgt: „Traumata im Kindesalter hinterlassen je nach genetischer Veranlagung dauerhafte Spuren auf der DNA: Epigenetische Veränderungen im FKBP5-Gen verstärken dessen Wirkung. Die mutmaßliche Konsequenz ist eine anhaltende Fehlsteuerung der Stress-Hormonachse beim Betroffenen, die in einer psychiatrischen Erkrankung enden kann. Entscheidend für das kindliche Traumaopfer ist aber, dass die Stress-induzierten epigenetischen Veränderungen nur dann auftreten können, wenn es auch diese spezielle DNA-Sequenz besitzt.“
Die aktuelle Studie verbessert unser Verständnis von psychiatrischen Erkrankungen als Folge der Interaktion von Umwelt- und genetischen Faktoren. Die Ergebnisse werden helfen, Menschen individualisiert zu behandeln, bei denen vor allem eine Traumatisierung in früher Jugend das Erkrankungsrisiko erheblich vergrößert hat.
BM/HR
Max-Planck-Gesellschaft / Forschung Aktuell
Kindliches Trauma hinterlässt bei manchen Opfern Spuren im Erbgut
Gen-Umwelt-Interaktion bewirkt lebenslange Fehlregulation der Stresshormone
2. Dezember 2012
Misshandelte Kinder sind erheblich gefährdet, angst- oder gemütskrank zu werden, weil der einwirkende hohe Stress die Regulation ihrer Gene dauerhaft verändern kann. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München dokumentieren nun erstmals, dass manche Varianten des FKBP5-Gens durch ein frühes Trauma epigenetisch verändert werden. Bei Menschen mit dieser genetischen Veranlagung verursacht das Trauma eine dauerhafte Fehlregulation des Stresshormonssystems. Die Folge ist eine lebenslange Behinderung im Umgang mit belastenden Situationen für den Betroffenen, welche häufig zu Depression oder Angsterkrankungen im Erwachsenenalter führt. Die Ärzte und Wissenschaftler erwarten sich von ihren aktuellen Erkenntnissen neue, auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Behandlungsmöglichkeiten, aber auch eine verstärkte gesellschaftliche Aufmerksamkeit, um Kinder vor einem Trauma und dessen Folgen zu schützen.
Misshandelte Kinder leiden oft ihr Leben lang unter ihrem Trauma. In Zeichnungen drücken Betroffene ihre Ängste aus.
Viele Erkrankungen des Menschen sind das Ergebnis vom Zusammenwirken seiner individuellen Gene und den ihn umgebenden Umwelteinflüssen. Traumatisierende Ereignisse vor allem in der Kindheit stellen dabei starke Risikofaktoren für das Auftreten von psychiatrischen Erkrankungen im späteren Leben dar. Ob der einwirkende frühe Stress aber tatsächlich das Opfer krank macht, hängt entscheidend von dessen genetischer Veranlagung ab.
Arbeitsgruppenleiterin Elisabeth Binder vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie untersuchte daher das Erbmaterial von fast 2000 Afro-Amerikanern, die als Erwachsene oder auch bereits als Kinder mehrfach schwer traumatisiert wurden. Ein Drittel der Traumaopfer war erkrankt und litt mittlerweile unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Die Wissenschaftler wollten durch den Vergleich der genetischen Sequenzen von erkrankten und nicht erkrankten Traumaopfern den Mechanismus dieser Gen-Umweltinteraktion aufklären. Ihre Untersuchung ergab, dass tatsächlich das Risiko an Posttraumatischer Belastungsstörung zu erkranken mit steigender Schwere der Misshandlung nur in den Trägern einer speziellen genetischen Variante im FKBP5-Gen zunahm. FKPB5 bestimmt, wie wirkungsvoll der Organismus auf Stresshormone reagieren kann, und reguliert so das gesamte Stresshormonsystems.
In Experimenten an Nervenzellen konnten die Max-Planck Forscher im Weiteren nachweisen, dass die von den Münchner Forschern entdeckte FKBP5-Variante für den betroffenen Menschen tatsächlich einen physiologischen Unterschied macht. Extremer Stress und somit hohe Konzentrationen an Stresshormon bewirken eine sogenannte epigenetische Veränderung: Von der DNA wird an dieser Stelle eine Methylgruppe abgespalten, was die Aktivität von FKBP5 deutlich erhöht. Diese dauerhafte Veränderung der DNA wird vor allem durch Traumata im Kindesalter erzeugt. So lässt sich bei Studienteilnehmern, die ausschließlich im Erwachsenenalter traumatisiert wurden, keine krankheitsassoziierte Demethylierung im FKBP5-Gen nachweisen.
Torsten Klengel, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie erklärt die Studienbefunde wie folgt: „Traumata im Kindesalter hinterlassen je nach genetischer Veranlagung dauerhafte Spuren auf der DNA: Epigenetische Veränderungen im FKBP5-Gen verstärken dessen Wirkung. Die mutmaßliche Konsequenz ist eine anhaltende Fehlsteuerung der Stress-Hormonachse beim Betroffenen, die in einer psychiatrischen Erkrankung enden kann. Entscheidend für das kindliche Traumaopfer ist aber, dass die Stress-induzierten epigenetischen Veränderungen nur dann auftreten können, wenn es auch diese spezielle DNA-Sequenz besitzt.“
Die aktuelle Studie verbessert unser Verständnis von psychiatrischen Erkrankungen als Folge der Interaktion von Umwelt- und genetischen Faktoren. Die Ergebnisse werden helfen, Menschen individualisiert zu behandeln, bei denen vor allem eine Traumatisierung in früher Jugend das Erkrankungsrisiko erheblich vergrößert hat.
BM/HR